Aufgezwungener Vergleich
Häufig kommen Mandanten zu uns, die zu einem Vergleich gedrängt wurden, den sie gar nicht wollen. Dabei geht es meist um folgenden Sachverhalt: In der mündlichen Gerichtsverhandlung schlägt der Richter oder auch die Gegenseite plötzlich, und für Sie aus heiterem Himmel, einen Vergleich vor. Mit diesem Vergleich vereinbaren die Parteien eine verbindliche Regelung, die das gerichtliche Verfahren ohne Entscheidung des Gerichts beendet. Ihr Anwalt lässt die Verhandlung kurz unterbrechen. Er erklärt Ihnen auf dem Gerichtsflur in wenigen Minuten, dass Sie dem Vergleich zustimmen müssen, anderenfalls verlieren Sie das Verfahren. Sie sind mit dieser Situation völlig überfordert. Von einem Vergleich war bislang nicht die Rede. Gedrängt durch Ihren Anwalt und den Richter stimmen Sie zu.
Am nächsten Tag fühlen Sie sich völlig überrumpeln. Sie wollten keinen Vergleich und erst recht nicht so einen. Sie erklären dies Ihrem Anwalt und wollen den Vergleich rückgängig machen, doch es ist zu spät. Der Vergleich ist rechtskräftig. Jetzt fragen Sie sich: Geht das so? Lief das alles korrekt ab? Muss ich dies hinnehmen? Klare Antwort: Nein, das müssen Sie nicht! Eine der grundlegenden Aufgaben Ihres Anwaltes ist Ihre Interessenvertretung. Dazu gehört, dass er Sie in jeder Phase des Verfahrens aufklärt und berät.
Die Frage nach einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits ist im Zivilverfahren gesetzlich vorgeschrieben. Die Frage des Richters, ob ein Vergleich in Betracht kommt, ist deshalb völlig normal. Die Frage ist, wie mit dieser Situation umgegangen werden sollte.
In manchen Fällen ist es durchaus sinnvoll, einen Vergleich zu schließen. So beispielsweise, wenn Ihre Erfolgsaussichten nicht optimal sind; wenn ein teures Sachverständigengutachten erforderlich ist oder auch, weil sich das Verfahren sonst noch Monate hinzieht. Die Entscheidung, ob ein Vergleich geschlossen werden soll, trifft aber nicht Ihr Anwalt, sondern allein Sie.
Um diese Entscheidung für oder gegen einen Vergleich treffen zu können, brauchen Sie Informationen. Und hierfür haben Sie Ihren Anwalt. Es ist die Aufgabe und auch Pflicht Ihres Anwaltes, Ihnen den Inhalt des Vergleiches zu erläutern, was dieser für Sie bedeutet, welche Vor – und auch Nachteile mit diesem Vergleich für Sie verbunden sind.
Im Idealfall bespricht Ihr Anwalt deshalb bereits vor der mündlichen Verhandlung mit Ihnen, ob ein solcher Vergleich für Sie grundlegend in Betracht kommt, und wenn ja, welche Konditionen denkbar sind. Jeder Mandant tickt da anders: der eine lehnt einen Vergleich grundsätzlich ab, da es ihm ums Prinzip geht. Ein anderer betrachtet die Sache rein wirtschaftlich oder ihm ist an einer schnellen Beendigung der Sache gelegen.
In unserem Beispielsfall hat der Anwalt dies offenbar nicht gemacht. Immerhin hat er die Verhandlung unterbrechen lassen und hat mit dem Mandanten über den Vergleich gesprochen. Im Regelfall reicht dies aber nicht aus. Sie sind als Mandant vor Gericht in einer besonderen Ausnahmesituation. Sie sind aufgeregt, verstehen oftmals das juristische Kauderwelsch nicht und es geht für Sie schließlich um etwas. Der Gerichtsflur ist deshalb meist nicht der geeignete Ort, um Ihnen den vorgeschlagenen Vergleich in der gebotenen Ausführlichkeit zu erläutern. Gut, wenn es darum geht, dass Sie anstelle der geforderten 1000 € nur 500,00 € erhalten sollen oder Sie entgegen Ihres Vorhabens 500,00 € zahlen sollen, ist dies möglicherweise denkbar. Dieser Sachverhalt ist einfach, die Folgen sind für jeden überschaubar. Doch meist sind Vergleiche komplizierter. Sie regeln diverse gegenseitige Ansprüche. In einer so aufregenden Sondersituation, wie im Gericht, sind Sie meist nicht in der Lage, klar alle Eventualitäten zu überblicken.
Deshalb ist von Ihrem Anwalt zu fordern, dass er einen widerruflichen Vergleich für Sie abschließt. Dies bedeutet, dass Sie sich eine Frist vorbehalten, innerhalb der Sie den Vergleich rückgängig machen können.
Dann kann Ihr Anwalt in den nächsten Tagen nach der Verhandlung in der sachlichen und ruhigen Atmosphäre der Kanzlei Ihnen genau erklären, was der Vergleich für Sie bedeutet. Er muss Ihnen die Vor- und Nachteile des Vergleiches, dessen Folgen und natürlich auch die Kosten erläutern. Er muss dabei auch abschätzen, mit welchem Ergebnis die Verhandlung ohne den Vergleich ausgehen könnte und wo die Risiken für Sie liegen. Sie haben dann die Möglichkeit in Ruhe über den Vergleich nachzudenken, mit Freunden oder der Familie darüber zu sprechen und eine Entscheidung zu treffen – für oder gegen den Vergleich.
Wenn Sie jetzt den Vergleich nicht wollen, kann Ihr Anwalt diesen widerrufen und die Gerichtsverhandlung läuft ganz normal weiter.
Wenn es Ihnen ähnlich ergangen ist, kontaktieren Sie uns. Wir prüfen gern, ob Sie Schadensersatzansprüche gegen Ihren Anwalt durchsetzen können.