Kaum haben Sie Ihr Problem dem Anwalt kurz geschildert, rät er sofort zur Klage und erklärt, dass er natürlich das Verfahren gewinnen wird. Gesundes Vertrauen in das eigene anwaltliche Können oder großspurige Überheblichkeit?
Um dieses Verhalten richtig einzuordnen und böse Überraschungen zu vermeiden, sollten Sie die Pflichten eines Anwaltes kennen. Denn ein guter Anwalt wird Ihnen nie versprechen, dass Sie Recht bekommen oder das Verfahren gewinnen. Ein guter Anwalt wird Sie korrekt beraten, Sie über Chancen und Risiken aufklären und Ihnen die Erfolgsaussichten Ihres Begehrens nachvollziehbar darlegen.
Eine der Hauptpflichten eines Anwalts ist es, Sie als Mandanten umfassend zu beraten. Er muss die rechtlichen Grundlagen eines Sachverhalts bewerten und Sie über Chancen sowie Risiken vollständig aufklären. Verletzt ein Anwalt seine Pflicht schuldhaft, so kann daraus ein Schadenersatzanspruch entstehen.
Sie kommen mit einem Problem zu einem Anwalt und erwarten eine Lösung. Meist fühlt sich der Mandant im Recht und erwartet, dass der Anwalt ihm dazu verhilft. Doch ist es wirklich so? Es ist die Aufgabe des Anwalts, herauszufinden, wo genau das juristische Problem liegt, damit er zu einer rechtlichen Beurteilung kommen kann.
Zunächst muss dazu der Sachverhalt, um den es geht, geklärt werden. Denken Sie an ein einfaches Beispiel. Sie haben einen Verkehrsunfall an einer Kreuzung. Der Anwalt muss fragen, ob an der Unfallstelle eine Ampel steht, oder „rechts-vor-links“ gilt. Wird das versäumt, kann man böse Überraschungen erleben. Der Anwalt muss sich alle Informationen beschaffen, die für die rechtliche Beurteilung der Angelegenheit notwendig sind.
Stellt ein Anwalt Ihnen bei der Aufnahme des Mandats keine Fragen, so sollte Sie das alarmieren. Fragen Sie nach, woran das liegt. Ist alles schon klar aus Unterlagen ersichtlich, die Sie vorgelegt haben? Oder ist der Sachverhalt so simpel, dass es keiner Nachfragen bedarf?
Sie können selbst daran mitwirken, das Risiko eines Anwaltsfehlers gering zu halten. Nehmen Sie alle Unterlagen mit und legen sie diese vor. Seien Sie ehrlich, auch wenn Sie glauben, daß Ihre Chancen dann nicht mehr so gut sind. Nur dann kann der Anwalt Ihre Rechtssache realistisch bewerten.
Ein Anwalt muss natürlich die aktuelle Rechtsprechung und Gesetzeslage kennen. Diese Pflicht geht weit. So sah sich ein Anwalt einer Schadenersatzforderung ausgesetzt, weil er es im Prozess für den Mandanten versäumte, auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs hinzuweisen. Das Urteil sprach für die Forderung des eigenen Mandanten und hätte das Gericht wahrscheinlich bewogen, zu seinen Gunsten zu entscheiden. Das Gericht hatte das Urteil des Bundesgerichtshofs ebenfalls übersehen. Doch selbst das kann die Anforderung an den Anwalt nicht beseitigen, sich mit der Rechtsprechung auszukennen und diese auch vorzutragen, damit das Gericht der eigenen Rechtsauffassung folgt und der Mandant den Prozess gewinnen kann (BGH, Urteil vom 18.12.2008, IX ZR 179/07). Versäumt der Anwalt das, kann er sich nicht darauf berufen, auch das Gericht habe dieses Urteil nicht gekannt.
Der Anwalt ist darüber hinaus zu einer „allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet“ (OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2012 – 24 U 39/11). Dazu gehört es auch, dass der Anwalt Sie über die Kosten des Verfahrens aufklärt.
Der Anwalt muss von allen Schritten abraten, die das Ziel des Mandanten gefährden und die vorhersehbar bzw. vermeidbar sind. Zugleich ist der sicherste und risikoärmste Weg vorzuschlagen, mit dem Sie an das erstrebtes Ziel gelangen können. Aufgrund der Beratung müssen Sie in der Lage sein, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Wenn der Anwalt die Erfolgsaussichten der von Ihnen gewünschten Klage als mittelmäßig bewertet, müssen Sie dies wissen. Denn nur Sie entscheiden, ob Sie trotz dieser Einschätzung das Risiko eingehen und die Klage führen wollen oder eben gerade nicht. Diese Entscheidung kann Ihnen auch der Anwalt nicht abnehmen. Er kann Ihnen aber die korrekte rechtliche Beurteilung an die Hand geben und Ihnen die Fakten darlegen, auf deren Grundlage Sie sich entscheiden können.
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