Hinweispflicht auf Höhe der Vergütung?
Muss der Anwalt darauf hinweisen, wieviel er kostet? Dass auch ein Anwalt nicht umsonst arbeitet, sollte jedem klar sein. Doch muss er den Mandanten auch auf die Höhe der Gebühren hinweisen? Was ist, wenn er schlecht arbeitet, muss er dann auch bezahlt werden?
Fragen, mit denen Sie sich vielleicht schon einmal auseinandergesetzt haben. Es gibt hierauf eine klare Antwort: Ja, er hat Anspruch auf Bezahlung und nein, eine allgemeine Hinweispflicht gibt es nicht.
Wir haben zu diesem Thema einen interessanten Artikel zur Entscheidung des OLG München, Urteil vom 05.06.2019, Az: 15 U 318/18 gefunden, der das Problem gut verdeutlicht:
1. rundsätzlich kann ein Rechtsanwalt trotz Schlechterfüllung eines Anwaltsdienstvertrags die ihm geschuldeten Gebühren verlangen.
2. Aus besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren, etwa wenn die Höhe der vom Auftraggeber zu zahlenden Gebühren das von ihm verfolgte Ziel erkennbar wirtschaftlich sinnlos macht. (eigene Ls.)
Wenn ein Mandat nicht so läuft, wie es sich der Mandant wünscht, dann kommt er schnell auf die Idee, zumindest einmal die Vergütung des Anwalts in Zweifel zu ziehen. Ein Dissens über die Vergütung ist daher nicht selten der Ausgangspunkt für eine haftpflichtrechtliche Auseinandersetzung. Wissen sollte man dazu zwei Dinge: Trotz fehlerhafter Mandatsbearbeitung besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Vergütung. Aber: In einem aus der mangelhaften Leistung erwachsenen Schaden können auch Gebühren enthalten sein.
Ein begründeter Schadensersatzanspruch erfordert, dass der betreffende finanzielle Verlust durch die anwaltliche Schlechtleistung verursacht wurde. Gebühren können daher dann Teil des Schadens sein, wenn sie entweder bei ordnungsgemäßer Mandatsbearbeitung gar nicht angefallen oder von anderer Seite erstattet worden wären.
Hier hatte der Anwalt die Mandantin in einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung beraten, die letztlich mit einer Abfindungszahlung des Arbeitgebers an die Mandantin endete. Die gesetzlichen Gebühren rechnete der Anwalt mit der Rechtsschutzversicherung der Mandantin ab. Er hatte sich allerdings am Ende des Erstberatungsgesprächs eine Vergütungsvereinbarung unterzeichnen lassen, nach der ein Honorar von 290 Euro netto pro Stunde geschuldet war. Für angefangene 15 Minuten wurde danach jeweils ein Viertel des Stundensatzes berechnet. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass diese Gebührenregelung dazu führe, dass die Differenz zwischen einer Erstattung von Rechtschutzversicherung, Justizbehörden oder Gegenseite von der Mandantin selbst zu tragen wäre. Für die Mandantin bedeutete dies am Ende, dass der von ihr zu tragende, erheblich über die von der Rechtsschutzversicherung übernommenen gesetzlichen Gebühren hinausgehende Betrag die mit dem Arbeitgeber ausgehandelte Abfindungszahlung sogar noch überstieg. Für die Mandantin endete der Rechtstreit also trotz Rechtsschutzversicherung und trotz einer erstrittenen arbeitsrechtlichen Abfindung im Minus. Hätte der Anwalt darauf hingewiesen, hätte sie das Mandat womöglich nicht erteilt und die Gebührenansprüche wären gar nicht erst entstanden.
Die Frage ist aber, ob der Anwalt darüber hätte belehren müssen. Die nicht erstattungsfähige Kostenbelastung ist nun natürlich ein typisches Phänomen, wenn bei an sich geringen Streitwerten auf Stundensatzbasis abgerechnet wird. Keine Belehrungspflicht besteht nach der Rechtsprechung im Hinblick auf gesetzliche Gebühren und die gesetzliche Erstattungspflicht im Verhältnis zum Ausgang des Rechtsstreits, soweit der Mandant nicht explizit nachfragt.
Seitdem im außergerichtlichen Bereich eine Vergütungsvereinbarung getroffen werden soll, enthält § 49b V BRAO allerdings eine Hinweispflicht, wenn gleichwohl nach gesetzlichen Gebühren abgerechnet werden soll. Ein Verstoß hiergegen kann zu einem Schadensersatzanspruch führen, wenn eine Vergütungsvereinbarung zu deutlich günstigeren Kosten geführt hätte.
Hier haben wir aber nun den umgekehrten Fall, dass die Abrechnung nach gesetzlichen Gebühren für den Mandanten deutlich günstiger gewesen wäre. Man kann also nicht sagen, dass es generell eine für den Mandanten günstigere Lösung gibt, auf die man immer hinweisen muss.
Bei der Frage, ob und inwieweit im Einzelfall Hinweispflichten bestehen, lassen sich die Gerichte durchaus von Verbraucherschutzgedanken leiten. Je krasser das Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen ist, desto strenger werden die Hinweispflichten gesehen.
Dass die Mandantin auf Kosten sitzen bleiben würde, sollte im hier entschiedenen Fall nach dem entsprechenden Hinweis in der Vergütungsvereinbarung klar gewesen sein. Dass sie bei einer Gesamtbetrachtung der Auseinandersetzung am Ende würde draufzahlen müssen, hatte sie vermutlich nicht einkalkuliert. Das war aber auch für den Anwalt nicht klar. Das OLG konstatiert daher zu Recht, der Anwalt sei nicht gehalten gewesen, die Mandantin auf die voraussichtlichen Kosten hinzuweisen, da auch für ihn zum Zeitpunkt der Honorarvereinbarung unklar war, ob und ggf. zu welchen Konditionen das Arbeitsverhältnis beendet würde. Die wirtschaftliche Sinnlosigkeit des Mandats lag somit nicht auf der Hand. Das Risiko war die Mandantin mit Unterzeichnung der Honorarvereinbarung eingegangen.
Den vollen Gebührenanspruch spricht das OLG dem Anwalt allerdings dennoch nicht zu. Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung und der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte hält der Senat nunmehr eine Abrechnung nach 15-Minuten-Takt für unwirksam. Auch selbst einen 5- oder 6-Minutentakt lehnt er ab. Vielmehr müsse die Erfassung in einer „für Anwaltsdienstleistungen sinnvollen Zeiteinheit“ erfolgen. Hier hält er eine Echtzeiterfassung grundsätzlich für möglich und praktikabel. Eine Höchstgrenze für eine Pauschalierung sieht er bei sechs Minuten, demonstriert jedoch sogleich, dass eine (minuten-)genaue Abrechnung durchaus funktionieren kann. Diese führte im Ergebnis zu einem Zeitaufwand von 10 Stunden statt der abgerechneten 25 Stunden.
(Zitiert nach Jungk, BRAK Mitteilungen 5/2019, Seite 236ff.)
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